LIPPIZANER – Bösgläubigkeit a posteriori?

Der OGH setzte sich kürzlich in der Entscheidung 4Ob54/23d wieder einmal mit der Frage der Bösgläubigkeit der Markenanmelderin auseinander. Insbesondere interessant ist hier, dass die Anmeldungen, Wortmarke und Wort-Bild-Marke LIPPIZANER, vor mehr als 20 Jahren eingereicht wurden und nun die Bösgläubigkeit der Anmelderin festgestellt wurde. Die Antragstellerinnen argumentierten, dass der Begriff „Lipizzaner“ seit langem mit der Spanischen Hofreitschule assoziiert und als deren Produkt- und Markenzeichen wahrgenommen werde. Der Ruf und die Wertschätzung der Lipizzaner werde von der Zweitantragstellerin seit jeher kommerziell genutzt, etwa durch den Verkauf von Souvenirartikeln. Die Antragsgegnerin habe keinen auch nur irgendwie gearteten Bezug zum Begriff „Lipizzaner“. Es sei daher offenkundig, dass sie ihre Marken allein aus unlauteren Motiven angemeldet habe. Die klare Behinderungsabsicht lasse sich auch aus der Vielzahl der Waren- und Dienstleistungsklassen ableiten. Die Antragsgegnerin wendete ein, sie habe anlässlich der Markenanmeldung alle einschlägigen Markeninhaber kontaktiert und ihr sei es nicht darum gegangen, Dritte zu behindern.


Die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts löschte die angegriffenen Marken zum Zeitpunkt ihrer Registrierung wegen bösgläubiger Anmeldung, erachtete also den Tatbestand des § 34 MSchG als erfüllt. Die Antragsgegnerin habe keinerlei Bezug zu Pferden oder zu Lipizzanern. Ihre Anmeldung sei nicht im Interesse erfolgt, die Marken für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu verwenden, sondern nur deshalb, um andere möglichst umfangreich von der Benutzung des Begriffs „Lipizzaner“ abzuhalten.


Das OLG als Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.


Der OGH, der von der Antragsgegnerin angerufen wurde, bestätigte die Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung und des OLG. So seien zwar im Jahr 1995 Unterlassungsansprüche gegen den Vertrieb von Porzellanpferden, die mit „Spanische Reitschule“ und „Wien“ beschriftet waren, mit der Begründung verneint worden, es liege kein kennzeichenmäßiger Gebrauch vor, weil die angesprochenen Verkehrskreise (damals) nicht angenommen hätten, dass die Porzellanfigur aus dem Betrieb der Markeninhaberin oder einem verbundenen Unternehmen stamme, sondern die Verkehrskreise lediglich annehmen würden, dass ein Pferd aus der Spanischen Reitschule dargestellt werde.


In einer zwischenzeitlich, nämlich im Jahr 2011, ergangenen Entscheidung wurde jedoch ausgesprochen, dass sich die Auffassung der Verkehrskreise insofern geändert hat, als dass allgemein bekannt ist, dass sich auch aus der unmittelbaren Verwaltung der öffentlichen Hand ausgelagerte und damit wirtschaftlich selbstständige Institutionen wie Museen oder auch die Spanische Hofreitschule bemühen müssen, durch den Verkauf verschiedener Waren und Dienstleistungen, die mit der oder den bekannten Marken der Institution gekennzeichnet sind, im Rahmen von Merchandising zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Entsprechend nehmen die Verkehrskreise nun sehr wohl an, dass entsprechend gekennzeichnete Waren aus dem Betrieb der Markeninhaberin oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen stammen. Somit markiert diese Entscheidung eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung, weswegen die Benutzung der Marken durch die Antragsgegnerin einen die Marken der Antragstellerin beeinträchtigenden Gebrauch der Marken darstellt.


Mit den registrierten Marken wäre somit der Antragsgegnerin die Möglichkeit gegeben, der Spanischen Hofreitschule die Verwertung der Marke über Merchandising zu verbieten, wozu diese angesichts der Entscheidung des Jahres 2011 berechtigt ist. Gemäß der gefestigten Rechtsprechung ist Bösgläubigkeit dann anzunehmen, wenn dem Markeninhaber zum Zeitpunkt der Anmeldung bekannt war, dass Mitbewerber für ähnliche oder identische Waren Zeichen verwenden, die dem von ihm als Marke angemeldeten Zeichen verwechselbar ähnlich sind. Offenbar sieht der OGH diesen Tatbestand nun auch dann als erfüllt an, wenn der Mitbewerb zwar das Zeichen zum Zeitpunkt der Anmeldung noch nicht verwendet, jedoch sich aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung ergibt, dass die Verwendung des Zeichens für diese Waren wünschenswert wäre bzw. wirtschaftlich erforderlich ist.


Der OGH scheint somit eine Bösgläubigkeit a posteriori, die sich also erst aus einer Entwicklung nach dem Anmeldetag ergibt, anzuerkennen, was meiner Ansicht nach bemerkenswert und gleichzeitig schlüssig ist, zumal der zur Nutzung der Marke für diese Waren berechtigte Inhaber, hier die Spanische Hofreitschule, andernfalls keine Möglichkeit hätte, gegen die Marken vorzugehen und das Zeichen in der nunmehr berechtigten Weise durch Merchandising zu verwerten.

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